Häufige Irrtümer bei der Kosten- bzw. Kostenstellenplanung

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Die Planung der Kostenstellenkosten in Industrieunternehmen wird in der Praxis häufig kapazitätsorientiert vorgenommen d.h. die Kosten werden für eine sogenannte „Normalkapazität“ geplant und dann auch noch auf einen „Durchschnittsmonat“ bezogen. Die Folge dieser Vorgehensweise ist dann, dass die geplanten Kostenstellenkosten im Fertigungsbereich nicht mit der Absatzplanung und der darauf aufsetzenden Produktionsmengenplanung integriert bzw. synchronisiert sind.

Es kommt hinzu, dass hieraus ja unweigerlich Bestandsveränderungen an fertigen und unfertigen Erzeugnissen resultieren müssten. Diese werden jedoch so gut wie nie in der Unternehmensplanung ausgewiesen, da vereinfachend in den meisten Unternehmensplanungen unterstellt wird, die Absatzmenge möge der Produktionsmenge entsprechen. Dieses Vorgehen ist schon für sich allein genommen widersinnig, da dies völlig an der betrieblichen Realität vorbeigeht. Bei dieser Form der Kostenplanung wird das Problem der fehlerhaften Budgetierung allerdings nicht auf Anhieb sichtbar. Da die Planung ja auf Basis einer „Normalauslastung“ erfolgt, können beispielsweise die Löhne für die in den Fertigungsstellen tätigen Mitarbeiter vollständig als Fertigungslöhne ausgewiesen werden obwohl für den Teil der Unterauslastung gar keine Fertigungslöhne anfallen können. In der Zeit der Entwicklung der Standard-/Plankostenrechnungssysteme stand noch nicht die voll integrierte Planungsrechnung im Sinne einer Unternehmensgesamtplanung im Vordergrund. Vielmehr lag der Fokus auf der Entwicklung eines aussagefähigen Instrumentariums zur Planung und Kontrolle der im industriellen Produktionsprozess anfallenden Kosten. Leistungsfähige Systeme sind aber heute problemlos in der Lage, beide Ansätze parallel abzubilden d.h. die Verrechnungssätze werden sowohl auf Basis der Kapazitätsplanung als auch Basis der Absatzplanung ermittelt. Dabei sollte in der Unternehmens - Planungsrechnung jedoch die absatzorientierte Kostenplanung verwendet werden. Die Kostensätze der kapazitätsorientierten Kostenplanung können dann für Zwecke der Wirtschaftlichkeitskontrolle, Bestandsfortschreibung, Kalkulationen etc. weiterhin verwendet werden. Hieraus ist zwar kein Zusatznutzen zu erwarten aber häufig ist es schwer,  eingefahrene Gewohnheiten zu verändern. Es ergibt allerdings keinen Sinn, innerhalb einer integrierten Planungsrechnung von Plan-Produktionshöhen auszugehen, die unabhängig sind von den vorgelagerten Absatz-/Produktionsmengenplanungen. Hiermit sind quasi Kalkulationsfehler im Hinblick auf die Plausibilität und Stimmigkeit der gesamten Planungsrechnung vorprogrammiert.

Das Problem soll anhand der Planung der Fertigungslöhne etwas weiter vertieft werden. In der betriebswirtschaftlichen Literatur und in der betrieblichen Praxis wird sehr häufig und überwiegend die Ansicht vertreten, dass Fertigungslöhne zu den Einzelkosten und in Folge auch zu den proportionalen/variablen Kosten gehören. Die Deckungsbeitragsrechnungen und Management-Erfolgsrechnungen sind auch entsprechend aufgebaut d.h. die Fertigungslöhne bilden zusammen mit den Materialeinzelkosten und den übrigen proportionalen Fertigungskosten (bspw. Energie) die variablen Herstellkosten. Diese Betrachtungsweise ist aus der Produktperspektive auch richtig.Allerdings sind die Kosten für die Mitarbeiter im Fertigungsbereich aus Unternehmenssicht alles andere als variabel. Dies wird beim Aufbau der Unternehmensplanung und im Hinblick auf die Ergebnissteuerung in der Praxis immer noch häufig übersehen. Ein einfaches Zahlenbeispiel (Ergebniswirkung Bestandsveränderungen_Akkordlohnsystem) kann die Problematik verdeutlichen und zudem die erheblichen Auswirkungen auf das Periodenergebnis sichtbar machen. Ein Blick in die gängige Literatur der Kosten- und Leistungsrechnung offenbart folgendes Bild: die Fertigungslöhne werden in der Kostenträgerkalkulation als Einzelkosten behandelt und im Gegensatz zu den Fertigungsmaterialien über die Fertigungskostenstellen geplant und abgerechnet. Abweichungen von den Lohn- und Zeitstandards werden dann auch folgerichtig nicht als Kostenträger – Abweichungen sondern als Verbrauchsabweichungen auf den Fertigungsstellen ausgewiesen.

Es sei angenommen, dass die geplanten Absatz-/Produktionsmengen über eine retrograde Auflösung der Stücklisten und Arbeitspläne in Plan-Bezugsgrößen der Fertigungsstellen übersetzt werden. Es sei weiter angenommen, dass aus dem folgenden Kapazitätsabgleich eine Plan-Beschäftigung resultiert die in einigen oder allen Fertigungsstellen von der „Normal-Beschäftigung“ nach unten abweicht. Wenn wir jetzt unterstellen, dass die Absatzmengen für die betrachtete Planperiode nicht weiter erhöht werden können, dann wäre die logische Konsequenz doch ein Wechsel der Kontierung von Fertigungslohn auf Gemeinkostenlohn und zwar für den Teil der nicht produktiv nutzbaren Arbeitskraft der Fertigungsmitarbeiter? Hieraus würde dann auch sofort sichtbar werden, dass die Löhne des Fertigungspersonals natürlich nicht (zumindest nicht kurzfristig) variabel sind. Diese Korrektur unterbleibt in der Unternehmensplanung jedoch meist, da eben kapazitätsorientiert und nicht nachfrageorientiert geplant wird. Sofern die Unterauslastung in der Realität dann auch eintritt, erscheint der Budgetierungsfehler der Fertigungslöhne dann als Kostenstellenverbrauchsabweichung. (siehe oben)

Nun könnte man natürlich die Frage stellen, was an dieser Vorgehensweise falsch sein soll da die geplante Kostensumme (Fertigungslohn plus Gemeinkostenlohn) für die Fertigungsmitarbeiter in dem Betrachtungszeitraum ja gleich bleibt. Ist es nicht „Schmuck am Nachthemd“, nur um der korrekten Kontierung willen solch einen Aufwand zu veranstalten? Wie das beigefügte Zahlenbeispiel verdeutlicht, gibt es sehr wohl einen Ergebniseffekt, der je nach Fixkostenanteil (und dazu gehören auch eindeutig die Kosten der Fertigungsmitarbeiter!) unterschiedlich stark ausfallen kann. Diese Betrachtungsweise ist jetzt und in Zukunft noch wesentlich bedeutsamer, da der Fixkostenanteil in Folge zunehmender Automatisierung immer weiter ansteigt. Wenn in Folge der Unterauslastung die Verkäufe zu einem größeren Teil aus vorhandenen Lagerbeständen gedeckt werden und nicht aus Produktionszugängen, dann fällt das Ergebnis in Folge der Bestandsverringerung deutlich schlechter aus als dies auf Basis der Plankalkulationen zu erwarten wäre. Das liegt ganz einfach daran, dass sowohl die in den Herstellkosten enthaltenen fixen Fertigungs- und Materialgemeinkosten als auch die Fertigungslöhne jetzt zusätzlich zu den Leerkosten (Gemeinkostenlohn wg. Unterauslastung, nicht genutzte Potentialkosten etc.) das Ergebnis belasten. Dieser Ergebniseffekt tritt allerdings in voller Höhe nur dann auf, wenn die Herstellkosten auf Vollkostenbasis ermittelt werden. Dies ist jedoch bei den meisten Unternehmen nach wie vor der Fall. Unternehmen mit flexibler Grenzplankostenrechnung, die auch die Bestände nur mit den Grenzherstellkosten bewerten, trifft der Effekt abgemildert. Die Fertigungslöhne sind allerdings auch bei der Bewertung zu Grenzherstellkosten voll enthalten. Lohnzahlungen für nicht ausgelastete Fertigungsmitarbeiter können im Gegensatz zum Fertigungsmaterial nicht einfach ins Lager gebucht werden und erst mit späteren Fertigungsaufträgen ergebniswirksam werden. Selbst wenn das möglich wäre, würde es an der Problematik nichts ändern, da die Fertigungslöhne logischerweise auch für den späteren Fertigungsauftrag im Zeitpunkt der Ausführung erneut anfallen. Die Löhne sind schließlich zeitabhängig und kurzfristig nicht variabel. Auch bei reinen Akkordlohnsystemen (die immer seltener anzutreffen sind) treten die oben beschriebenen Effekte auf, da heute in allen Tarifverträgen vorgesehen ist, dass der Leistungslohn ab einer bestimmten Höhe in einen vertraglich garantierten Mindestlohn übergeht. Bei Zeitlohnsystemen (ob mit oder ohne Prämienlohn) treten noch weitere Effekte auf. So werden bei Unterschreitung der Vorgabezeiten bzw. Standardzeiten bspw. bei einer Bestandserhöhung Fertigungslöhne aktiviert, die faktisch gar nicht angefallen sind, da im Gegensatz zum Akkordlohnsystem eine Erhöhung des Leistungsgrades nicht automatisch zu einer zusätzlichen Vergütung führt. Dieser Effekt geht nach gängiger Praxis in der Verbrauchsabweichung der Kostenstelle unter. Wir haben hier im Prinzip den gleichen Effekt wie bei den (im Falle der Bestandserhöhung) aktivierten Fixkosten. Bei einer die Bestandserhöhung verursachenden Produktionsleistung oberhalb der Absatzleistung fallen als Zusatzkosten das Fertigungsmaterial und (Akkordlohn vorausgesetzt) der Fertigungslohn an. Die Fixkosten bleiben jedoch ceteris paribus (innerhalb bestimmter Beschäftigungsintervalle) unverändert. Es werden also Fixkosten aufs Lager „gelegt“, die faktisch im Zusammenhang mit der Über-Produktion gar nicht zusätzlich angefallen sind. Die Folge ist eine Gewinnerhöhung aus Lagerbestandserhöhungen. Deyhle spricht in diesem Zusammenhang davon, dass „über die Schleuse der Bilanz Strukturkosten des einen Zeitraums in den nächsten wandern“. Solch eine Gewinnerhöhung ist logischerweise nicht mit einer Erhöhung der Liquidität durch Geldeingang verbunden. Sie führt in der Folge aber unweigerlich zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage für Gewinnausschüttungen und Gewinn-Steuern mit entsprechender Liquiditätswirkung. Sofern in Folgeperioden ein Bestandsabbau erfolgt, dreht sich dieser Effekt wieder um d.h. das Ergebnis wird dann durch die zuvor „aufs Lager gelegten“ zusätzlichen Fixkosten gemindert. Hieraus können signifikante Ergebnisverschlechterungen resultieren, die den Verantwortlichen in den Unternehmen vorher meist nicht bewusst waren.

Die beschriebenen Effekte sind nicht schwer zu verstehen und leicht nachvollziehbar. Es drängst sich daher die Frage auf, warum häufig dennoch der eindeutig falsche Weg weiter beschritten wird. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass zu der Zeit als die Standard- bzw. Plankostenrechnung entwickelt wurde noch keine leistungsfähigen Systeme verfügbar waren, die den enormen Rechenaufwand einer absatz-/produktionsmengensynchronen Planung hätte bewältigen können. In diese Richtung geht auch ein Kommentar von Deyhle: „Die Betrachtung des Kostenplanes als ein Stammsatz hat praktische Bedeutung bei der Bemessung der monatlichen Planleistung, die man besser als Stammsatzbasis bezeichnet. An sich müßte nämlich diese Planleistung die mit dem Absatzplan abgestimmte Plan-Auslastung der Kostenstelle sein. Das würde aber voraussetzen, dass vor dem Aufbau der Kostenpläne bereits der Absatzplan verabschiedet ist. Das ist aber praktisch oft nicht mehr machbar. Wenn etwa im November das Verkaufsbudget für ein kommendes Jahr verabschiedet wird, bleibt ja nicht mehr die Zeit, bis zum Beginn des Budgetjahres noch die Kostenstellenplanung durchzuführen. Die Planung der Kostenstellen ist parallel zur Entwicklung des Absatzplanes aufzubauen. Man wird bei der Planleistung deshalb sich nur grob nach dem voraussichtlichen Absatzplan richten können – bzw. nach dem Mehrjahresperspektivplan.“ Auch heute noch dauert ein voll integrierter Planungslauf in gängigen ERP-Systemen (Materialbedarfsplanung und Zeitbedarfsplanung/Plan-Bezugsgrößenermittlung) je nach Komplexität des Sortiments zum Teil mehrere Stunden oder gar Tage. Da die meisten Unternehmen immer noch auf Basis von Spreadsheet-Applikationen planen oder integrierte Planungssysteme nur als reines Kontenmodell im Rahmen der Ergebnis-, Finanz- und Bilanzplanung einsetzen, besteht das Problem weiter. Inzwischen gibt es aber Planungs- und Simulationssysteme die über die sogenannten Kontenmodelle weit hinausgehen. In diesen Systemen ist nicht nur der Wertefluss zwischen GuV und Bilanz integriert sondern alle planungsrelevanten Mengen- und Werteflüsse. Dabei wird sowohl das betriebliche Kosten-/Leistungsmodell als auch sämtliche Mengenflüsse aus Produktion, Absatz, Logistik etc. abgebildet. Solche Systeme sind inzwischen auch in der Lage, einen kompletten Neuaufwurf der gesamten Planungsrechnung in wenigen Sekunden durchzurechnen.

Anforderungen an BI-Systeme:

Planungs-Werkzeuge die in Industrieunternehmen eingesetzt werden, sollten es ermöglichen eine automatisch Leistungsmengensimulation im Rahmen der Kostenstellenplanung durchzuführen. Dabei sollten die proportional zur Kostenstellen-Leistung (Planbezugsgröße) anfallenden Kostenarten automatisch im Rahmen dieser Leistungsmengensimulation berechnet werden. Die Leistungsmengensimulation sollte eine Integration zur Absatz-/Produktionsmengenplanung realisieren, die als Bindeglied zwischen der Mengenplanung der Artikel und der Planbezugsgrößen der Leistungsstellen die retrograde Auflösung von Arbeitsplänen und Stücklisten ermöglicht. Nur so kann eine widerspruchsfeie Planungsrechnung sichergestellt werden, die in allen betrieblichen Teilplänen von den gleichen Mengen- und Wertflüssen ausgeht. Wie oben beschrieben, sollte die Planungssoftware eine parallele Abbildung unterschiedlicher Kapazitätsnutzungsgrade in der Kostenstellenplanung unterstützen.

Fazit:

In der Unternehmensplanung bzw. Planungsrechnung sollte mit großer Sorgfalt versucht werden, die Fertigungslöhne sowie alle anderen Kostenarten der Fertigungsstellen an der Plan-Auslastung zu orientieren und nicht an einer Normal-Auslastung. Die eingesetzten BI-Werkzeuge und Systeme müssen diesen Ansatz natürlich unterstützen. Diese Systeme müssen daher in der Lage sein, die Verbindung von Absatz und Material- und Kapazitätsplanung über retrograde Stücklisten- und Arbeitsplanauflösung zu unterstützen. Eine von den geplanten Verhältnissen unabhängige Kostenstellenplanung ist nicht schlüssig ins gesamte Planungswerk integriert und produziert schon in der Planungsphase zum Teil falsche oder gar völlig unbrauchbare Budgets. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass eine rein von den produktionstechnischen Gegebenheiten ausgehende Kostenplanung, die nicht im Einklang mit den aktuellen Unternehmenszielen steht, unmöglich ökonomisch richtig sein kann.